ADB:Feuerbach, Anselm

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Artikel „Feuerbach, Anselm“ von Karl Werner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 524–533, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Feuerbach,_Anselm&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 23:17 Uhr UTC)
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Feuerbach: Anselm F., Maler, geboren am 12. September 1829. F. war geniale Begabung, aber geeint mit leidvollem Lebensschicksal als Familienerbtheil beschieden. Seine Selbstbiographie, das „Vermächtniß“, erzählt von mühevollem Kampf und schmerzlichem Entsagen. Allerdings ist die von der Mutter des Künstlers sehr willkürlich besorgte Buchausgabe durchaus nicht die untrügliche Quelle, für die sie seither gegolten hat. Eine Vergleichung mit Feuerbach’s handschriftlichem Nachlaß aus dem Besitze der Berliner Nationalgalerie erweist eine ganze Fülle von irreführenden Textänderungen und falschen Zeitangaben.

Feuerbach’s Vater, der Archäologe (A. D. B. VI, 745), war Gymnasiallehrer in Speyer, als ihm zwei Jahre nach der Geburt einer Tochter der Sohn geschenkt wurde. Da die Mutter kurz danach starb, verlebten die Kinder die Jahre bis zu des Vaters zweiter Vermählung mit Henriette Heydenreich, 1834, bei den Großeltern in Ansbach. Die hochgebildete, geistvolle Stiefmutter ist den Waisen zunächst die liebevollste Pflegerin, Anselm in der späteren Kampf- und Leidenzeit die treueste und verständnißreichste Gefährtin gewesen. Das Jahr 1836 brachte die Berufung des Vaters an die Freiburger Hochschule. In der Schwarzwaldstadt verflossen die nächsten Jahre, deren heiteres Glück freilich durch eine ernste Krankheit und zwei bedenkliche Unfälle, noch mehr aber durch das sich steigernde Gemüthsleiden des Vaters getrübt wurde. Mit rastlosem Eifer betriebene Zeichenübungen erwiesen früh den künstlerischen Trieb des Knaben. Der Unterricht des Gymnasiums, lebendige Schilderungen der Götter- und Sagenwelt Griechenlands durch den Vater, vor allem aber eine von diesem 1840 aus Italien mitgebrachte Sammlung von Münzen, Gipsabgüssen und Abbildungen lenkte Anselm’s Sinn auf das Alterthum. Bald war es entschieden, daß er Künstler werden sollte und zwar Maler, da ihm das Zeichnen doch mehr Freude machte, als die zeitweise auch erfolgreich geübten Versuche in der Bildhauerei.

Mit sechzehn Jahren zog er nach Düsseldorf, bereits damals von ausgeprägtem Selbstbewußtsein, aber auch von ernstestem Streben erfüllt. Der Unterricht auf der Akademie, den er erst als Specialschüler des Directors Schadow in dessen Atelier, dann als Angehöriger einer Classe genoß, befriedigte ihn nicht. Als Sohn eines Archäologen und Sproß einer Gelehrtenfamilie mit ausgeprägtem Stilgefühl begabt, fand er kein Gefallen an der schwächlichen Romantik der süßlichen Düsseldorfer Kunstrichtung, die über Veranschaulichung des Bildgedankens die Durchbildung der Form ganz vernachlässigte und zog sich schließlich – auch geselligem Verkehr infolge seines reizbaren Wesens früh abhold – fast ganz aus dem Kreise seiner Kunstgenossen zurück, um für sich zu arbeiten.

Den ältesten noch kindlich unbeholfenen Compositionsversuch bewahrt eine Sepiazeichnung der Cimbernschlacht aus einem geplanten Illustrationscyklus zur germanischen Geschichte. Interessant ist, daß F. für die Ausführung im Bilde schon damals „gedämpfte Farbenpracht“ und „bestimmte grauliche [525] Farben“ vorsah, wie er sie 30 Jahre später in seinem „Gastmahl“ und der „Amazonenschlacht“ thatsächlich verwandt hat. Aehnliche Versuche aus dem Gebiet germanischer Historien und Sagen wurden bald durch Motive aus der Dichtungswelt Shakespeare’s zurückgedrängt. Es entstanden zehn Blätter Illustrationen zum „Sturm“, voll echter Phantastik und vorgeschritten durch die Einfachheit und kraftvolle Zusammenfassung der Schilderung. Das erste noch schülerhaft befangene Oelbild, ein flötenspielender Faun mit dem schlafenden Bacchuskind zur Seite, bekundet die auch aus den Düsseldorfer Briefen sprechende Sehnsucht nach Aufgaben aus dem antiken Vorstellungskreis und seine frühe Vorliebe für Darstellung musikalischer Scenen. Ein kleines Bildchen schmerzlich-wehmüthiger Stimmung, eine junge Frau im Trauerkleide, von einer Urnenträgerin gefolgt, auf eine geöffnete Grabkammer zuschreitend, und mehrere Porträtstudien – darunter nicht weniger als fünf Selbstporträts – wol Ergebnisse des Ferienfleißes, vervollständigen das Verzeichniß der Düsseldorfer Jugendarbeiten.

Die Frühjahrsferien des Jahres 1848 brachten die beglückende Erlaubniß zur Fortsetzung der Studien in München. Antwerpen oder Paris, an die F. gedacht hatte, wurden im Familienrath verworfen. Aber die Isarstadt bescheerte nur neue Enttäuschungen. Durch den Vater mit der stillen Hoheit der Antike vertraut, flieht der junge Künstler entsetzt vor der rohen Zeichnung der Corneliusfresken in der Glyptothek. Die Suche nach einem Meister blieb lange vergeblich. Die Akademie schien gar nichts zu bieten. Kaulbach und Schorn, zu denen Freunde des Vaters gerathen hatten, stießen ihn durch hohle Theatralik ab. Besser glückte ein Versuch bei dem aus Wien übergesiedelten Rahl. Feuerbach’s Behauptung im „Vermächtniß“, daß seine Schülerschaft bei diesem nur von ganz kurzer Dauer gewesen sei, ist falsch. Aus den Briefen der Münchener Zeit geht deutlich hervor, daß er, wol nicht in ständigem Verkehr, aber zu dem Meister in wachsender Bewunderung emporschauend, bis Ende 1849 Rahl’s Unterweisung genossen, oder doch seinen Rath ständig eingeholt hat. Uebrigens war Feuerbach’s Schaffensdrang damals nicht sehr groß, er selbst nennt sich in einem Brief „spaziergängerisch und faul“. Die heitere Münchener Geselligkeit lockte ihn, der zum bildschönen Jüngling herangereift war, in ihre Kreise. Eine lang erwogene Composition, „Bacchus unter Seeräubern“, zerstört der Maler selbst wieder, aber noch ein paar Motive werden dem bacchischen Kreise entnommen und zeigen Fortschritte gegen die Düsseldorfer Arbeiten. Außerdem gehören schon in diese Zeit die ersten Entwürfe zu späteren Hauptwerken, der „Grablegung“ und dem Madonnenbilde.

Aber die rechte künstlerische Befriedigung wollte sich nicht einstellen, und als Rahl sich nach Italien wandte, wuchs die Sehnsucht nach einem Wechsel des Aufenthaltes. Schon lange hatte Antwerpen den jungen Künstler gelockt, endlich willigte der Vater ein. Die Uebersiedlung scheint aber erst nach längerem Aufenthalt in Freiburg im Herbst 1850 stattgefunden zu haben, wenigstens stammt der erste erhaltene Brief, der die Aufnahme in die Akademie meldet, vom 13. October 1850. Die Angaben über Feuerbach’s Antwerpener Zeit im „Vermächtniß“ sind – auch in den mitgetheilten Briefen – ganz unzuverlässig. Soviel die Originale erkennen lassen, begann F. mit frischer Arbeitslust, zufrieden mit der trefflich geübten Correctur der Professoren, aber keineswegs überrascht durch außergewöhnliche Leistungen der Schule, die er erwartet hatte. Seine nervöse Natur ließ ihn jedoch den akademischen Zwang nicht lange ertragen. Er begann auf eigene Faust zu arbeiten und begrüßte es freudig, als ihm ein Zwist der deutschen Akademieschüler mit dem Director [526] Wappers Gelegenheit zum Austritt und im Sommer 1851 zur Uebersiedlung nach Paris verschaffte. Künstlerisch hatte er sich in Antwerpen, der von der Akademie gepflegten Richtung folgend, ausgesprochen realistischen Stoffen zugewandt. Außer unbedeutenderen Arbeiten entstanden ein alter Mönch, eine junge Hexe auf dem Wege zum Scheiterhaufen und Kirchenräuber bei nächtlicher Diebesarbeit, die auch in der Ausführung den Antwerpener Einfluß verriethen. In Paris lockte zunächst das begeisterte Studium der venezianischen und spanischen Meister des Louvre zu emsiger Copirarbeit im Hinblick auf ein geplantes eigenes Bild. Da brachte im September 1851 die Trauerbotschaft vom Tode des Vaters schweres Leid, und es begann eine Zeit lange Jahre dauernder drückender Noth. Die Kunst wurde Trösterin. Ein Bild sorglos heiterer Armuth wurde begonnen und im Frühjahr 1852 vollendet, „Hafis in der Schenke“. Der Einfluß der zeitgenössischen Pariser Schule trat in Composition und Farbe deutlich hervor. Schlichte, gesunde Empfindung schied es von den damals in Deutschland gefeierten süßlichen Malereien der Düsseldorfer, aber gerade darum fand es auf einer bald begonnenen Ausstellungsreise durch Deutschland keinen Beifall.

Der Winter 1852/53 ließ F. nach längerem Ferienaufenthalt in der Heimath endlich den lang gesuchten Lehrer und Meister finden. Couture’s Bild „Römer der Verfallzeit“ bewog ihn zum Eintritt in dessen Atelier und ganz begeistert spricht er in einem Briefe vom December 1852 von diesem „ersten und wahren Lehrer“, nach dem er sich sein ganzes Leben gesehnt habe. Er malte mehrere Monate hauptsächlich Actstudien unter seiner Leitung. Dann begann er unter wachsender äußerer Noth, die ein aus Hamburg eingetroffener Auftrag für das jetzt in der dortigen Kunsthalle aufbewahrte Zigeunerbildchen nur für kurze Zeit linderte, die Vorarbeiten zu einem neuen großen Bilde, dem „Tod des Aretino“. Da zwang im Frühjahre 1854 eine rasch entbrannte unselige und unwürdige Liebe den Künstler, wollte er ihr nicht erliegen, zu plötzlicher Flucht aus Paris. Bei der Mutter, die nach Heidelberg übergesiedelt war, fand er Genesung und Ruhe.

Das stille Karlsruhe wurde die nächste Arbeitsstätte des Heimgekehrten. Dort reifte sein großes, heute in Basel bewahrtes Bild, das den plötzlichen Tod des venezianischen Pamphletisten Aretino darstellt, der bei üppigem Gelage vom Schlage getroffen wurde. Couture’s Einfluß, aber mehr noch der der großen Venezianer des Louvre, auf die der Meister seine Schüler eindringlich verwiesen hatte, sprechen deutlich aus den tiefen Farben und der fest geschlossenen Composition des Werkes. Das Publicum lehnte das Bild seines realistischen Inhaltes wegen ab. Ein Ankaufsangebot an die Gemäldegalerie blieb erfolglos. Noch mehr entmuthigte der Mißerfolg einer zweiten Arbeit den fast mittellosen Künstler. In kurzer Frist hatte er eine Versuchung des heiligen Antonius vollendet und gebeten, man möge das Bild von Staats wegen zur Pariser Ausstellung schicken. Aber dies Mal rief der kühne Vorwurf helle Entrüstung bei den tugendsamen Leuten, die maßgebend waren, hervor. Die Verweigerung der Sendung nach Paris erbitterte F. so, daß er das Bild in kleine Stücke zerschnitt und verbrannte.

Neben diesen beiden umfangreichen Arbeiten entstanden in Karlsruhe noch zahlreiche kleinere verschiedensten Inhaltes, darunter ein kraftvolles Männerporträt und ein decoratives Stück, ein Kinderfries im großherzogl. Schloß.

Für die traurigen Erfahrungen mit „Aretino“ und der „Versuchung“ brachte der überraschende Auftrag des Landesherrn, Tizian’s „Assunta“ in Venedig zu copiren, unvermuthete Freude. Frohen Muthes verließ F., mit einem sehr bescheidenen Stipendium ausgestattet, das damals an künstlerischer [527] Anregung – die Kunstschule war kaum gegründet worden – noch so arme Karlsruhe und zog in Josef Victor Scheffel’s Begleitung nach Italien. Er konnte schon damals äußerlich eher als Sohn des Südens gelten, denn als der Deutschlands. Seine Gestalt war von fast mädchenhafter Zartheit, feingliedrig und kaum mittelgroß. Dem scharfprofilirten blassen Antlitz gaben die ernst blickenden träumerischen schwarzbraunen Augen und das lange dunkele Lockenhaar einen Anflug müder Schwermuth. Die Sprache der feinen hohen Stimme war lebhaft und verrieth leicht erregbare nervöse Art, das Erbtheil vom Vater. Im Juni zogen die Freunde in Venedig ein. Gewaltig wirkte der Zauber der Lagunenstadt, überraschend schnell fühlten sie sich heimisch. Es war, als empfände F., daß im italischen Boden seine eigentliche Kraft wurzele. Die ihm schon von Paris vertraute venezianische Malerei ergriff ihn hier mit dem vollen Zauber ihrer farbenprunkenden, stolzen Pracht. Wahrhaft ergriffen von der Erhabenheit seiner Aufgabe begann er seine Assuntacopie in fast halber Größe des Originals. Nur während des Akademieschlusses in der Gluthhitze des August unterbrach ein vierwöchentlicher Aufenthalt in Castello Toblino in den tridentiner Alpen die eifrige Arbeit. Ende October ging das vollendete Werk, das trotz aller Treue der Nachbildung doch auch viel vom persönlichen Stil Feuerbach’s erhalten hatte, nach Karlsruhe ab und fand dort vollen Beifall. Der Künstler, glücklich über die Kunde hiervon und voll froher Zukunftshoffnung, beschloß, dem jungen Großherzog ein Huldigungsgeschenk zu machen und malte eine lebensgroße Gestalt der Poesie. Die lautere Absicht wurde in Karlsruhe übel verkannt und als tactlose Zudringlichkeit aufgefaßt. Das heute in der Galerie hängende Bild wanderte in die Rumpelkammer. Dem Maler aber kündigte ein verletzendes Schreiben aus dem großherzoglichen Cabinet das Stipendium.

Der Schlag verleidete dem Künstler die Heimfahrt. Er machte sich im Mai 1856 auf die Reise nach Rom. Unterwegs hielten ihn die mächtigen Eindrücke von Florenz aber volle fünf Monate fest. Die Uffizien wirkten überwältigend. Beim ersten Besuch stürzten F. die Thränen aus den Augen und von dem Eindruck in der Tribuna bekennt er im „Vermächtniß“: „Da war eine Empfindung über mich gekommen, die man in der Bibel mit dem Wort Offenbarung zu bezeichnen pflegt. Die Vergangenheit war ausgelöscht, die modernen Franzosen wurden Spachtelmaler und mein künftiger Weg stand klar und sonnig vor mir“. Von künstlerischen Arbeiten ist aus den Tagen des Florentiner Aufenthaltes nur eine Zeichnung nach einem Madonnenrelief Michelangelo’s erhalten.

Am 1. October 1857 zog F. fieberkrank in Rom ein. Die ewige Stadt sollte seiner Kunst und ihm, den das lange erfolglose Ringen um Anerkennung in Deutschland schließlich innerlich ganz von seinem Vaterlande schied, die wahre Heimath werden. „Rom, mein Schicksal“ heißt es in einem Briefe gleich nach der Ankunft. Verwirrt und eingeschüchtert durch all das Große um ihn her, beginnt er nun zaghaft die eigene Arbeit unter traurigen äußeren Verhältnissen, denn eine erneute Bitte um ein Stipendium war in Karlsruhe abgeschlagen worden. Dafür fehlte es nicht an anregender Gesellschaft im deutschen Künstlerverein, wo sich mit F. Böcklin, Reinhold Begas und sein späterer Biograph Allgeyer zu einem Gesangsquartett vereinigt hatten.

Das Dantebild der Karlsruher Galerie ist das erste große Ergebniß des römischen Aufenthaltes. Es zeigt den Dichter der Göttlichen Komödie im Gespräch mit edlen Frauen lustwandelnd. Der Einfluß der venezianischen Meister war in Aeußerlichkeiten unverkennbar, aber schon verkündete sich in der rein innerlichen Auffassung, in der Feinheit wundersamsten Stimmungszaubers [528] der echte Adel Feuerbachischen Geistes. Ein zweites Bild aus dem Dante-Kreis, der Tod des Dichters, dem Beatrice als Himmelskönigin erscheint, schloß sich ein Jahr später an. Frei von venezianischen Einflüssen gab sich der Künstler in den Kinderbildern der ersten römischen Zeit. Die nackte Kindergestalt barg ihm „den Keim alles menschlich Schönen in der Kunst“. Aus zahlreichen Studien erwuchsen das „Kinderständchen“ der Leipziger Galerie und zwei größere Friese. Mehr und mehr drang F. nach seinem eigenen Zeugniß in das Verständniß der Körperform im Sinne der Antike ein.

Im Winter 1859/60 entstand die bereits in Venedig untermalte Madonna mit Jesuskind und musicirenden Engeln der Dresdener Galerie. Während der Arbeit daran hatte der Ankauf des ersten Dantebildes durch den Großherzog von Baden die schweren Nahrungssorgen Feuerbach’s für kurze Zeit gelindert. Nun erhoffte er auch vom Erfolg des Madonnenbildes Gutes – einen Ruf nach Karlsruhe. Er traf im Frühling 1860 selbst zur Ausstellung ein. Aber höhnische Kritiken begrüßten ihn. Mit schmerzlichen Erfahrungen und erbittert gegen sein Vaterland kehrte er im Spätherbst nach Rom zurück. Dort wurde nun sein Verhältniß zu seinem Modell Nanna für die nächsten sieben Jahre von bestimmendem Einfluß auf sein äußeres und sein künstlerisches Leben.

Mit immer stärkerer Gewalt zog es ihn, da das ideale Modell gefunden war, zur Antike. Er begann die längst geplante Iphigenie, die jetzt in machtvoller Größe der Erscheinung die Darmstädter Galerie schmückt. Am Meeresgestade sitzend, ins weiße Gewand der Priesterin gehüllt, blickt sie sehnsuchtsvoll über die Fluthen: das Land der Griechen mit der Seele suchend. Völlig zur Selbständigkeit gereift, bot F. in diesem Werke das erste reine Zeugniß seines großen in tiefster Erfassung antiken Geistes wurzelnden Stiles. Ein dämonischer Schaffensdrang erfüllte ihn; schon trat auch immer bestimmter der Gedanke an das Gastmahl Plato’s hervor. Rom und Nanna schienen ihm unentbehrlich für seine Kunst, und als ein von den Freunden Begas und Böcklin vermitteltes Angebot einer Kunstschulprofessur aus Weimar eintraf, lehnte er ab. Iphigenie, die im Frühjahr 1862 in Deutschland eintraf, theilte das erwartete Schicksal der früheren Bilder. F. war ob der andauernden Zurückweisung seiner besten Gaben in dieser Zeit so erregt, daß er Selbstmordgedanken hegte.

Das nächste Jahr brachte wenigstens eine Linderung der größten Noth, zu der übrigens das Verhältniß zu Nanna sein gut Theil beitrug. Theodor Heyse veranlaßte auf Anregung Allgeyer’s den Baron – späteren Grafen – v. Schack in München, F. seine Gönnerschaft zuzuwenden. Im Laufe der nächsten fünf Jahre kamen die Werke in dessen Besitz, die nun mit den Böcklinbildern den Hauptwerth der Schackgalerie ausmachen. Zunächst kaufte der Mäcen den 1862 vollendeten „Garten des Ariost“, der – noch in Venedig begonnen – stofflich und malerisch vom Geiste des Dantebildes erfüllt ist, und einen prachtvollen Kopf einer Römerin nach Nanna. Dann erwarb er eine in der Ausführung dem Original nicht gleichwerthige Wiederholung des Madonnenbildes und das werthvollste seiner Feuerbachwerke, die 1863 vollendete „Pietà“. Das Motiv einer Grablegung Christi hatte F. schon in München mächtig ergriffen und dann in Paris und Karlsruhe wiederholt beschäftigt. Was ihm bereits 1849 – ein Brief an die Mutter bezeugt es – vorschwebte, ein dramatisch ernstes Bild zu malen, das, wie alte Kirchenmusik wirkend, eine ergreifend wahre Darstellung mütterlichen Schmerzes gäbe, hatte er in seiner „Pietà“ nun vollendet. Dem düsteren Stimmungsgehalt paßte sich die mit altmeisterlicher Kunst behandelte Farbe an.

[529] Das erste auf directe Bestellung gemalte Bild kam 1864 in Schack’s Besitz, „Paolo und Francesca da Rimini“, eine anmuthige Illustration zu einer berühmten Dantestelle. Im gleichen Jahre erwarb der Graf das sog. Nymphenbild – ein musicirendes Kinderpaar an einem See von einer Nymphe belauscht – dessen Entwurf den Maler zuerst in Venedig beschäftigt und das er im kleineren Format schon 1860 einmal ausgeführt hatte. Die Kindergestalten waren in dem Werke zu Trägern der eigentlichen Stimmung erhoben, während sie auf dem Bilde der badenden Kinder, die F. danach für Schack malte, wiederum wie in früheren ähnlichen Darstellungen mehr decorativer Absicht dienten. Noch ein drittes Werk kam 1864 nach München, „Romeos Abschied von Julia“. Es befriedigte den Besteller nicht. Mit Recht vermißte er in der nüchternen Wiedergabe die leidenschaftliche Gluth der Shakespearescene. Er vertauschte es später gegen ein paar kleinere Bilder. Dagegen gefiel ihm die 1865 gemalte „Begegnung Petrarca’s mit Laura in der Kirche zu Avignon“, ein Werk von leuchtender Farbenpracht, aber doch ohne eigentlich inneres Leben, besser. 1866 erwarb der Graf den herrlichen „Hafis am Brunnen“, eine Offenbarung der schlichten Selbstverständlichkeit von Feuerbach’s Compositionsgabe, die eine Figurengruppe voll wahrhaft classischer Hoheit in die meisterlich gestaltete landschaftliche Umrahmung fügte. Eine Familienscene, eine junge Mutter im Kreise ihrer Kinder, folgte und darauf, als letzte Lieferung an Schack, das 1868 gemalte „Ricordo di Tivoli“. Das letztere, dem Inhalt nach eine Variante zum Nymphenbild, war eine ersichtlich rasch gemalte Copie nach dem schon 1867 entstandenen, nun der Nationalgalerie gehörigen Original.

Als das Ricordo abgeliefert wurde, war es schon zu schroffem Bruche zwischen F. und seinem Auftraggeber gekommen. Der Künstler, der schon seit 1864 von allem Verkehr abgeschlossen vereinsamt lebte, empfand es als unwürdigen Zwang, wenn Schack für die Ausführung der bestellten Bilder bestimmte Wünsche äußerte; zudem dünkten ihn die Preise zu niedrig. Vor allem aber schmerzte es ihn, daß der Mäcen von dem geplanten „Gastmahl des Plato“, dessen Idee F. schon seit den 50er Jahren verfolgte und in dessen Ausführung er eine Lebensaufgabe sah, nichts wissen wollte. Schack’s bestimmte Ablehnung des Planes in persönlicher Verhandlung im November 1866 hatte schon zu ernster Entfremdung geführt. Als F. bei der Ausführung der bestellten „Medea am Meer“ wiederum eigenmächtig das ausbedungene Format überschritt, war die Lösung endgültig vollzogen. Während der Jahre seiner Beziehungen zum Grafen Schack verbrachte F. die Sommermonate regelmäßig in Deutschland. Er weilte dann in Lichtenthal bei Baden und zeigte sich dort, im anregenden Freundeskreis der Mutter, geselligem Verkehr weniger abhold als in Rom. 1866 hatte er nach einem solchen Ferienaufenthalt die Rückreise nach Italien über Berlin – er dachte eine zeitlang daran, dort sein Symposion zu malen –, Dresden und München gemacht. 1867 kam er zur Ausführung eines Porträtauftrages nach Basel und erneuerte dabei sein Freundschaftsverhältniß zu dem ihm von Rom vertrauten Arnold Böcklin.

Nach dem Bruche mit Schack beherrschte das „Gastmahl“ Denken und Schaffen des Meisters. Was daneben entstand, das Ricordo, ein anmuthiges Strandbild, zwei Studienköpfe, eine Familienscene, zwei Porträtgruppen jugendlicher Frauen, vor allem aber die beiden wunderbar plastischen Gestalten, die als „Orpheus und Eurydice“ vereint wurden, gab erwünschte Gelegenheit, Feuerbach’s Farbanschauung in dieser Blüthezeit seines Schaffens immer deutlicher anzukündigen, bis sie das „Gastmahl“ ausgereift und abgeschlossen [530] documentirte. Der regen künstlerischen Thätigkeit kam es zugute, daß sich das Verhältniß Feuerbach’s zu Nanna gelöst hatte.

Das „Gastmahl“ hat der Meister nach umfassenden Vorarbeiten im April 1869 vollendet. Im gleichen Jahre erschien es auf der Münchener Ausstellung, von Publicum und Kritik – nur Friedrich Pecht’s Ausnahme ist rühmlich zu verzeichnen – wegen seiner Farblosigkeit allgemein verspottet. Den Muth eigener Meinung und feines Verständniß für das innere Leben des Bildes besaß die gerade aus Griechenland heimkehrende Malerin Röhrs aus Hannover; sie kaufte es. 1890 erwarb es der badische Staat für die Karlsruher Galerie. Die Darstellung – eine riesige Fläche von 3,20 m Höhe und 6,50 m Breite, schloß sich eng an Plato’s Schrift: Im Kreis der Freunde Agathon’s, die sich nach dem Mahl in sinnvollen Reden über die Natur des mächtigsten der Götter, des Eros, ergehen, erscheint, wein- und lustberauscht vom nächtlichen Mahle heimkehrend, in bacchischem Gefolge Alkibiades, den Dichter zu seinem jüngsten Siege zu beglückwünschen.

Für F. bedeutete das Bild ein Bekenntniß seiner Auffassung des antiken Culturlebens. Eine unbezwingliche Macht hatte ihn dazu getrieben. Farbenprunk schien ihm Adel und Anschaulichkeit der Darstellung zu gefährden. In der Urschrift des „Vermächtniß“ gibt er an, daß er, des ewigen venezianischen Illuminirens müde, den raschesten und knappsten Ausdruck gewählt habe. So erklärt sich der einheitliche Ton zartesten Silbergraus, der das ganze Bild überzieht. Ein Erfolg konnte solcher das Formale betonender coloristischer Anschauung und Praxis in der Zeit der Piloty- und Makart-Begeisterung allerdings nicht beschieden sein.

Vier Jahre später hat der Meister das zweite Gastmahl, das Bild der Nationalgalerie, gemalt. Die mancherlei Veränderungen – Umwandlung des antiken Saales in einen Renaissanceraum, reichere Ausgestaltung der Alkibiadesgruppe und Beigabe einer ornamentalen Stilllebenumrahmung – lassen jedoch trotz der intensiveren Farbe das erste Werk in seiner Stilgröße und -einheit den eigentlichen Herrscherplatz unter Feuerbach’s Schöpfungen behaupten.

Dem frohen Schaffensdrang der letzten 60er Jahre erwuchs auch der Plan eines Bildercyklus zur Medeensage und 1870 als dessen erstes Ergebniß die anfänglich für Schack bestimmte herrliche „Medea am Meer“ der neuen Pinakothek. Als ob der Maler seine Meisterschaft in der Farbe aufs neue hätte beweisen wollen, gab er dem Werke wiederum die leuchtende Kraft eines wunderbar vielfältigen und doch meisterlich zusammengehaltenen Colorits. Abermals vernichtete die Ausstellung des Bildes in Deutschland die damit verknüpften Hoffnungen und Pläne. Erst 1879 fand es durch den Ankauf Ludwig’s II. für die Pinakothek den ihm gebührenden Platz. Außer zahlreichen Entwürfen gehören noch zwei ausgeführte Gemälde in den Medeencyklus, eine Medea unmittelbar vor der Mordthat aus dem Jahre 1871 und – als Schlußbild gedacht – eine in Trauer und Reue an der Aschenurne ihrer Kinder, 1872 vollendet. Unmittelbar nach der Münchener Medea hatte F. das schon während der Arbeit an dieser begonnene farbenfrohe und heitere „Urtheil des Paris“ – jetzt in der Hamburger Kunsthalle – in rascher Eingebung gemalt. Die kühne Neuerung in der Auffassung des Vorgangs, der die Zurüstung zur Prüfung, nicht diese selbst darstellt, und der gewagte Stoff bedingten abermals Widerspruch und Verurtheilung.

Während der Arbeit an den zuletzt besprochenen Werken harrte eine schon 1868 entworfene zweite Iphigenie der Ausführung. Erst 1871 erhielt sie ihre endgültige Fassung, grundverschieden von der der ersten. Die Antike hat keinen Theil an ihr. Die Majestät der Priesterin ist zu lieblicher Anmuth [531] gemildert, das tief sehnsüchtige Schauen in ein still sinnendes Ausblicken auf die Meereswogen. Nun gedieh auch endlich ein seit Mitte der 50er Jahre geplantes, in Farbskizzen und zeichnerischen Entwürfen wohl vorbereitetes Colossalbild zur Vollendung, die „Amazonenschlacht“. Ende November 1872 war das Werk im wesentlichen abgeschlossen; jetzt bewahrt es als Geschenk der Mutter Feuerbach’s die Stadt Nürnberg in ihrem Rathhause. Wiederum hatte der Künstler zu Gunsten der Betonung des Formalen auf Farbenwirkung verzichtet. In den Einzelgruppen der geschilderten letzten verzweifelten Gegenwehr der Amazonenschar gegen ihre männlichen Ueberwinder offenbart F. seine Gabe antik-plastischer Gestaltungskraft der Actdarstellung in ganzer Größe. Aber darüber ist die rechte Belebung, für die auch intensivere Farbe freilich unerläßlich war, vernachlässigt. So haftet dem Werke eine lähmende Starrheit an, die seine Wirkung erheblich beeinträchtigt.

Während der alljährlich unternommenen Ferienreisen in die Heimath war der Gedanke an dauernde Uebersiedlung nach Deutschland wiederholt erwogen worden. F. erwartete von fernerem Aufenthalt in Italien keinen künstlerischen Gewinn mehr und sehnte sich nach ständigem Verkehr mit der Mutter. Schon war, nachdem ein 1870 erneuter Versuch, in Karlsruhe eine Stellung zu erhalten, fehlgeschlagen war, Nürnberg gewählt, da brachte ein kurzer Aufenthalt in Wien im Frühling 1872 dem Künstler werthvolle persönliche Verbindungen und als deren Ergebniß bald danach den Ruf als Professor der Historienmalerei an die Akademie. Im Mai 1873 trat er nach schmerzlichem Abschied von Rom sein Amt an.

Die ersten Monate verliefen verheißungsvoll, sodaß F. nun auch geselligem Verkehr wieder zugänglicher wurde. Da kam mit der Ausstellung des „Gastmahls“ und der „Amazonenschlacht“ ein jäher Umschwung. Schmähungen und Spott der von Makartbegeisterung völlig trunkenen Wiener trafen den Meister. Die treue Anhänglichkeit seiner Schüler, der unbestrittene Sieg seiner Classe auf der Akademieausstellung boten ihm nur geringe Genugthuung. Aber der ehrenvolle Auftrag, den neuen Plastiksaal des Akademiegebäudes mit Deckenbildern zu schmücken, bewies das unerschütterte Vertrauen des Ministeriums. Die Idee eines Titanensturzes hatte F. schon lange vorgeschwebt. Nun arbeitete er sie im Entwurf für das Hauptbild aus und plante als Umrahmung vier kleinere Darstellungen, den gefesselten Prometheus mit klagenden Okeaniden, Uranos, Gaea und Venus. Auf das Machtgebot des ausführenden Architekten mußten diese Entwürfe jedoch durch solche aus dem Apollo- und Athenemythus ersetzt werden, bis man sie schließlich doch annahm.

Die bald begonnene Arbeit an den kleineren Bildern unterbrach im Frühjahr 1876 eine plötzliche Erkrankung Feuerbach’s. In Heidelberg genas er, kehrte aber auf ärztlichen Rath des ihm schädlichen Wiener Klimas wegen nicht zu seiner Lehrthätigkeit zurück. Er nahm Urlaub und zog nun mit der Mutter nach Nürnberg, dann begab er sich – durch einen Krankheitsrückfall zur Vorsicht gemahnt – zu längerem Aufenthalt nach Venedig. Dort begann er wieder zu arbeiten und griff dabei auf schon vor langen Jahren behandelte Motive, die Versuchung des heiligen Antonius und den Tod des Aretino zurück.

Im Mai 1877 traf er wieder zu längerem Aufenthalt bei der Mutter in Nürnberg ein. Eine ehrenvolle Begrüßung durch die Künstlerschaft der Stadt und der Auftrag der Handelskammer, ihren Sitzungssaal mit einem großen Gemälde der Privilegienertheilung an die Nürnberger Kaufmannschaft [532] durch Ludwig den Baier zu schmücken, boten freundlichen Willkomm. In Venedig wollte der Meister die Arbeit ausführen. Ehe er sie dort im Winter 1877/78 begann, besuchte er noch einmal, zum letzten Male, Rom, vom Zauber der Stadt von neuem mächtig ergriffen. Im Kaiser Ludwig-Bild schilderte er in lichten Farben auf goldenem Grund den im Auftrag gewünschten Vorgang, aber nicht zur Zufriedenheit der Besteller, die ein theatralisches Schaustück erwartet hatten.

In Venedig entstand dann das sog. Concertbild der Nationalgalerie. Der tragische Tod der vier dargestellten Musikanten, die sämmtlich ertranken, unterbrach die Arbeit längere Zeit, dann vereitelte Feuerbach’s eigenes Hinscheiden ihre Vollendung. Inzwischen hatte der Künstler in Wien seine Entlassung erwirkt, aber der Ausführung des großen Deckenbildes widmete er seine ganze Kraft. Im März 1879 ging der Titanensturz vollendet nach Wien ab. Auch ohne die ganz verkehrte provisorische Aufstellung hätte das Werk trotz mancher Concessionen an den Stil der zeitgenössischen Historienmalerei bei den Wienern keine Gnade gefunde. Der Makartcultus hatte sich gerade in dieser Zeit bis zur Tollheit gesteigert. In München ging es im Herbst des gleichen Jahres nicht besser. Trotzdem dachte F. damals, ermuthigt durch den Ankauf seiner „Medea“ durch König Ludwig II. an seine Uebersiedlung nach der Isarstadt, er besprach den Plan bei einem letzten Besuch mit der Mutter. Es sollte nicht dazu kommen. Oefters wiederkehrende Krankheitsanfälle hatten des Meisters Gesundheit in den letzten Jahren schwer erschüttert. In der Nacht vom 3. auf den 4. Januar 1880 erlag er in Venedig einem Herzschlag. Auf dem Nürnberger Friedhof, nahe bei Albrecht Dürer’s Grab, fand er seine Ruhestätte.

Feuerbach’s Kunst duldet nicht die Verweisung in eine sog. Schule. Die Franzosen des neunzehnten Jahrhunderts und die alten Venezianer haben ihn nur das malerische Handwerk gelehrt, allein in seinen frühesten Werken folgt er merklich ihrer Art. Sein Schaffen strebte nach vollkommener Durchdringung von Bildinhalt und -form. Die verlogene Sentimentalität der Düsseldorfer und das hohle Theaterpathos der Münchener Malerei seiner Zeit konnten seinem Genius nichts bieten. Allem Unwahren und Aufdringlichen feind, wollte er sich nur innerer Größe beugen. So wurde die stille Hoheit der schon im Vaterhaus gepriesenen Antike das Ziel und Wesen seiner Kunst. Im ersten Iphigenienbilde, im ersten Gastmahl und in der Medea am Meer hat sie in einer aus griechischem Geist geborenen Auffassung der menschlichen Gestalt ihren höchsten und reinsten Ausdruck gefunden. An diesen Bildern vornehmlich hat sich auch Feuerbach’s Glaube an Anerkennung und Ruhm nach seinem Tode erfüllt; nun preist ihn die Nachwelt als einen der Größten des vergangenen Jahrhunderts. Daß sein Leben arm war an Sonnenschein, hat die lange Zeit dauernder Mißerfolge nicht allein verschuldet. Er hatte vom Vater den Hang zu grüblerischer Schwermuth – deren Hauch auch in manchen Bildern zu spüren ist – und Selbstquälerei geerbt. Eine beinahe weibliche oder weichliche Natur nennt er sich selbst in einem Briefe vom Februar 1852. So wechselten denn in unvermittelt folgenden nervösen Stimmungsschwankungen kurze Wochen frohen Muthes mit lang währender Zeit tiefster seelischer Depression. Unfähig, dauernd innige Freundschaft zu pflegen und infolge dessen oft ganz vereinsamt, sprach er sich dann in Briefen an die Mutter maßlos erbittert und verbittert gegen seine Gegner und Tadler und gegen sein Vaterland aus, das ihn immer wieder zurückstieß. Das „Vermächtniß“ ist in der ersten Fassung zum großen Theil mehr eine Anklage- denn eine Gedächtnißschrift.

[533] So ist F. durch ein kampf- und mühevolles Leben geschritten. Aber Sorge und Leid, die den Menschen oft tief niederdrückten, haben den sieghaften Glauben des Künstlers an seine Bestimmung und Größe doch immer nur ganz vorübergehend erschüttert. Er wußte, daß ihm ein Märtyrerloos beschieden sei und hoffte von der Gerechtigkeit der Geschichte, was ihm das flüchtige Menschenleben versagte.

Vgl. die Aufzählung der älteren Litteratur bei R. Muther, Geschichte der Malerei im 19. Jahrhundert I, 499 f. und den Text ebendort S. 402 ff. – Julius Allgeyer, Anselm Feuerbach, sein Leben und seine Kunst. Bamberg 1894. – Hr. Alfred Schmid in: Das 19. Jahrhundert in Bildnissen. Berlin 1898. – G. Winkler, Anselm und Henriette Feuerbach und ihre Beziehungen zum Grafen Schack, in den Decemberheften 1902 der „Kunst für Alle“; ebd. im 1. Octbr.-Heft 1903: H. Werner, A. Feuerbach’s Vermächtniß. – F. v. Ostini, Anselm Feuerbach, in „Die Kunst unserer Zeit“ XIV, 2 u. 3 und die betreffenden Abschnitte in Fr. Pecht’s Geschichte der Münchener Kunst und C. Gurlitt’s Die deutsche Kunst des 19. Jahrhdts.